Komplimente – wenn wir uns nicht so richtig über sie freuen können und sie ungute Gefühle in uns auslösen

07.04.2024

Komplimente. Jeder weiß, dass sie weit mehr als „nur“ nette Worte sind. Und „ja“, die Forschung zeigt auch eindeutig, dass sowohl das Bekommen als auch das Geben von Komplimenten Menschen glücklich und zufrieden machen. Auch wenn ich das voll und ganz unterstreichen kann, so gibt es auch die „dunkle“ Seite von Komplimenten. Denn sie können auch ungute Gefühle in uns auslösen und uns dazu bringen, dass wir uns zurückziehen. Oder uns manipuliert fühlen. Und uns auch so manches Mal in die Rolle einer Hochstaplerin katapultieren. Diesem negativen Bereich möchte ich diesen Blogbeitrag widmen und habe drei Beispiele für dich, die ich selbst erlebt habe. Vorab eine kleine Info: Erst letzte Woche übrigens hatte ich eine Radio-Sendung zum Thema Komplimente. Wenn du magst, dann kannst du sie als Sag-mal-Tanja!? Podcast-Episode anhören.

„… Sie sind ein wirklich schöner Mann!“

Ich gebe gerne Komplimente. Auch Menschen, die ich nicht kenne. Alle sind aufrichtig gemeint und sind niemals berechnend. Ich gebe sie von Herzen. Und freue mich dann wie eine Schneekönigin, wenn sich die Person darüber freut. Das tut sie auch in den allermeisten Fällen, auch wenn es manchmal einen kurzen „Zwischen-Check“ braucht, wie ich das gemeint haben könnte. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, dass die Menschen es nicht gewöhnt sind, von Fremden ein Kompliment zu bekommen. Trotzdem höre ich nicht damit auf. In mancher Kultur ist es aber nicht ganz so angebracht… wie ich vor einigen Jahren höchstpersönlich erleben durfte. Mit einem herzhaften Lachen erinnere ich mich an meine Freundin … und unseren Kurztrip nach Schottland. Wir hatten in einem meiner Lieblings-Destinationen Mhor 84 eingecheckt und wollten im Restaurant noch etwas essen. Angus – ein wirklich (!!!) attraktiver Kellner – bediente uns sehr zuvorkommend. Ein perfekter Abend… . Bis zu dem Zeitpunkt, als meine Freundin Angus fragte, ob sie ihm etwas sagen dürfte. Er strahlte uns freundlich an und nickte bejahend. „Sie sind ein wirklich schöner Mann!“ Meine Freundin machte ihm ein aufrichtig gemeintes Kompliment.  Er nickte – lächelte und bedankte sich… Und ward fortan an unserem Tisch nie wieder gesehen. Nur noch an den Nachbartischen. Statt  ihm bediente uns ab da eine nette Frau, die wir dann irgendwann mal fragten, ob man in Schottland Fremden denn keine Komplimente machen dürfte“. Ihr Antwort: „Yes of course! Sure!…  Aber sicher doch!“ Was wir denn Nettes gesagt hätten…. Wir teilten ihr das Kompliment mit und etwas verlegen schaute sie uns an „Öhm… oh… ja das…. Das ist zu viel!“ … Bis heute lachen wir noch darüber … und wir hoffen, er auch… über die grenzüberschreitenden Frauen aus Deutschland, die nicht im Traum daran gedacht hatten, dass ein solches Kompliment „to much“ gewesen hätte sein können. Wobei… wir hätten es uns ja an einer Hand abzählen können… aber der Whisky hat halt durchaus gemundet… 😉

„Du bist eine besondere Frau und strahlst so viel Herzlichkeit aus.“

Welche Frau fühlt sich bei solchen Worten nicht geschmeichelt? Doch welch unguten Geschmack hinterlassen solche Worte, wenn sich herausstellt, dass derjenige in einer Beziehung ist? Sicher kann man sagen: „Das eine schließt doch das andere nicht aus“. Stimmt schon. Und trotzdem: Es ist immer das Gesamtpaket, in welchem sich Dinge anders verstehen lassen. Wie zum Beispiel ein langer und durchaus tiefgründiger vorangegangener Nachrichtenaustausch auf WhatsApp… Also mal ehrlich? Wenn ICH in einer Beziehung bin, dann schreibe ich definitiv keine Nachrichten an einen noch relativ fremden Menschen…. Und für den Fall, dass ich die Partnerin wäre, so hätte ich nun ziemlich große Fragezeichen auf den Augen.

Komplimente können uns blind machen dafür, was uns unser Bauchgefühl schon lange zuruft. Und trotzdem kann es vorkommen. Ich bin für mich ziemlich klar gewesen und habe mich sofort aus dem Gespräch verabschiedet. So was entspricht nicht meinem Wertegefüge. Was jedoch leider zurückbleibt ist die Gewissheit, dass es der nächste Komplimentemacher (NOCH, als eh schon) schwerer bei mir haben wird … Schade eigentlich, hatte ich mir doch für dieses Jahr vorgenommen, mich zu öffnen. Und raus aus meinem Schneckenhaus zu kommen.  Aber nun denn… 

„ … Die Tanja ist ein Leuchtturm …“

Die Tanja ist ein Leuchtturm… Was ganz gewiss sehr wertschätzend und auch genauso gemeint war, hat mich in tiefste Verlegenheit gebracht. Ich fühle mich nicht als Leuchtturm. Und schon gar nicht als Vorbild. Und so kam ich mir mal wieder wie eine Hochstaplerin vor, als ich vor den Teilnehmerinnen einer Veranstaltung mit diesen Worten begrüßt wurde. Wohlgemerkt saß ich als Teilnehmerinnen in den Reihen der Teilnehmenden und stand keinesfalls wie so häufig sonst auf der Vortragsbühne. Das Impostor-Phänomen hatte mich mal wieder voll und ganz erwischt. Und zwar voll und ganz. Wenn sich leistungsstarke Menschen trotz ihres beruflichen Erfolges als Mogelpackung empfinden, dann spricht man vom Hochstapler-Syndrom (Englisch: Impostor –  Betrüger,  Hochstapler)  Ja, ich gestehe: ich zucke häufig innerlich zusammen, wenn mich jemand lobt. Auch wenn ich äußerlich lächle. Und ja, ich bin überzeugt davon, dass ich für andere kompetenter wirke, als dass ich in Wirklichkeit bin. Die Tanja und ein Leuchtturm? Puhhh… 

Ja, ich weiß … Ihr habt schon Recht… Ich bin nicht wirklich eine Hochstaplerin. Denn im Unterschied zum tatsächlichen Hochstapler glauben Menschen mit Impostor-Phänomen nur, dass sie inkompetent seien. In Wahrheit aber sind sie meist ziemlich gut in dem, was sie tun. Vermutlich passt der Begriff Leuchtturm also doch ganz gut zu mir … Vielleicht … Eventuell…. Mit dem Impostor-Phänomen bin ich übrigens nicht alleine. Vor allem Frauen, aber auch Männer sind davon betroffen. Jeglichen Alters. Jeglicher sozialer Herkunft. Jeglichen Berufs. In meinem Buch „Vorwärts heißt zurück zu mir“ habe ich ausführlich darüber geschrieben. Und auch darüber, wie man aus der Nummer wieder rauskommt…

Normalerweise habe ich es persönlich ziemlich gut im Griff und weiß auch, dass ich gut bin in meinem Job…. Die wichtigste Strategie zur Überwindung des Impostor-Phänomens ist ganz gewiss das Wissen, dass es dieses überhaupt gibt. Und wie soll man sich nun bei Komplimenten verhalten, die einem wie das Leuchtturm-Kompliment peinlich sind? Einfach mal „Danke“ sagen. Nicht runterspielen. Nicht kleinreden. Und auch nicht auf die äußeren Umstände schieben. All das wirkt sonst eher wie „fishing for compliments“. Einfach nur: „Danke“ sagen… und versuchen, zu fühlen. Danke, ich bin gerne ein Leuchtturm für andere. Und „Ja“, mein Weg war nicht leicht. Auch wenn man das meinen könnte. Ich war fleißig. Und bin es nach wie vor. Ich habe mich niemals unterkriegen lassen. Und in diesem Sinne bin ich gerne für andere eine Art „Leuchtturm“…

Niemals aufhören

Ob und was Komplimente mit uns machen, hängt also auch viel vom Empfänger ab. Von seiner Lerngeschichte; von seinem Umfeld. Und auch wenn sie etwas Negatives auslösen können, so sollten wir trotzdem niemals damit aufhören, Komplimente zu machen… Und diejenigen, die ähnlich wie ich nicht gut mit ihnen umgehen können, dürfen lernen, sie (wieder) zuzulassen.

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PS – Postskriptum

Welche Komplimente hast du schon bekommen? Und was haben sie mit dir gemacht? Teile deine Erfahrungen mit uns.

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